Besonders im Training mit problematischen Verhaltensweisen von Hunden sehe ich sehr häufig Hunde, bei denen meine erste Aussage ist “wir müssen dringend das Selbstbewusstsein/Selbstwertgefühl dieses Hundes stärken”. Oft bekomme ich für diese Aussage im ersten Moment -ja, man könnte fast sagen “entsetzte” Blicke – und dann auch schnell Worte wie “besser nicht, der hat ja schon so viel Selbstbewusstsein” .
Doch hat er das wirklich?
Was steckt denn dahinter? Ist ein selbstbewusster Hund schwieriger im Alltag zu leiten? Woher kommt die Angst vieler Menschen vor einem selbstbewussten Hund? Was macht diesen denn überhaupt aus? – Fragen über Fragen.
Auf dem Bild zu diesem Artikel siehst Du Dino, der ein viel zu kurzes Leben hatte, so dass ich ihn leider nur etwa ein halbes Jahr begleiten durfte. Dino war der beeindruckendste Hund, den ich je kennenlernen durfte – und er hat vor Selbstbewusstsein nur so gestrotzt! <3 Ein Hund, der wirklich fast jede Situation eigenständig und vollkommen souverän meistern konnte.
Im Zweifel hat er sogar eingegriffen , wenn ich einen Konflikt unter anderen Hunden nicht in Sekundenbruchteilen lösen konnte – ich bin nun mal kein Hund und in Hundesprache eben “nur menschlich gut” . Wir hatten mehrere solcher Situationen, als er hier gelebt hat – und er stand vollkommen eigenständig immer sofort an meiner Seite, hat abgewartet, ob ich das gleich lösen konnte und ist eingeschritten, wenn das nicht gleich der Fall war. Absolut beeindruckend! Ein Traum von Hund!
Vermutlich kennt jeder Mensch Situationen, in denen er sehr selbstbewusst auftritt und welche, in denen das nicht so sehr der Fall ist.
Selbstbewusst fühlen wir uns in der Regel dann, wenn wir uns unserer Sache sicher sind. Wir wissen, dass wir mit der aktuellen Situation gut umgehen, “diese wuppen” können. Das fühlt sich gut und leicht an.
Nicht ganz so selbstbewusst fühlen wir uns eher in Situationen, in denen wir etwas unsicher sind, weil wir selbst nicht ganz so genau wissen, ob wir diese Situation gut meistern können. Das hingegen fühlt sich gar nicht so gut an. Wir fühlen uns in solchen Situationen auch schneller von anderen “angegriffen” und beginnen auch schneller, uns selbst zu verteidigen, oder gehen zum vermeintlichen “Gegenangriff” über – oder -je nach Typ – ziehen uns eher zurück.
Und genau das sieht man auch häufig bei Hunden. Im Umkehrschluss heißt das, das ein selbstbewusster Hund mit vielen Situationen viel besser und entspannter umgehen kann. Er weiß, wie er diese gut und souverän meistern kann und fühlt sich gut dabei.
Das hat sehr wenig damit zu tun, dass es für den Menschen mit steigendem Selbstbewusstsein des Hundes schwieriger wird, diesen zu führen – sondern ganz im Gegenteil.
Viele “Probleme” entstehen in Situationen, in denen Hunde unsicher sind.
Hier liegt ein Missverständnis vor, denn die Angst des Menschen ist häufig, dass er einen Hund mit zu viel Selbstbewusstsein nicht mehr gut leiten kann.
Aber Selbstbewusstsein ist keinesfalls damit gleichzusetzen, dass der Hund dann stur oder aggressiv wird und seine eigenen Entscheidungen denen des Menschen vorzieht.
Auf Basis einer vertrauensvollen Beziehung durch gegenseitiges Verständnis und einem harmonischen Miteinander MÖCHTE ich persönlich sogar, dass meine Hunde einen Großteil ihrer Entscheidungen selbst, ganz ohne mein Zutun, treffen. Die Kunst ist es, so mit dem Hund zu arbeiten, dass diese Entscheidungen zu meinen Gunsten ausfallen. Und wenn das mal nicht der Fall sein sollte, ist es mein Job als Hundehalterin, frühzeitig so zu agieren, dass ich meinen Hund darin unterstütze, eine passende Alternative zu finden, die in meinen Augen sinnvoller ist – und die er vielleicht schon beim nächsten Mal ganz selbstbewusst und eigenständig ausführen kann.
Unser Ziel sollte es daher sein, unseren Hund darin zu unterstützen, der Hund zu werden, den wir uns wünschen: Selbstbewusst und in der Lage, einen Großteil seiner Probleme selbst zu lösen.